Kardiologische Rehabilitation bei Dr. Becker

Reha bei Panikstörung nach Herzinfarkt

Meine Geschichte



Nach dem Infarkt kommt die Angst

Bei 20 bis 30 Prozent der Patient:innen führt ein Herzereignis zu Angst oder depressiver Reaktion. Während sich bei den meisten die Gefühlswelt innerhalb von drei bis vier Monaten wieder „normalisiert“, kommt es bei einigen zu anhaltenden psychosomatischen Reaktionen. Eine psycho-kardiologische Rehabilitation kann helfen.


Als Karin K. im November 2014 mitten in der Nacht wach wird, ist sie schweißgebadet. Trotz starker Atemnot schläft die 58-Jährige zunächst wieder ein. Ein heftiger Schmerz unter dem linken Busen, der bis in den Arm ausstrahlt, lässt sie kurz darauf wieder aufwachen. Sie fühlt so etwas wie Sodbrennen. Karin K. ist beunruhigt und entschließt sich, ins Krankenhaus zu fahren. „Ich war in einem komischen Zustand. Ein Teil von mir dachte die ganze Zeit ‚Du hast ja nichts, du hast ja nichts‘. Und trotzdem habe ich auch große Angst empfunden, so große, dass ich bei Rot über eine Ampel gefahren bin, um schneller anzukommen“, erinnert sie sich.


Im Krankenhaus bringt ein EKG und ein Labortest schnell Gewissheit: Karin K. hatte in der Nacht einen Herzinfarkt. Noch am gleichen Tag werden ihr im Herzkatheterlabor die Engstellen in den Herzkranzgefäßen aufgedehnt und zwei Stents eingesetzt; sie kommt auf die Intensivstation. „Ich hab‘ da immer noch gedacht: ‚Es war doch nichts‘. Irgendwie ist das alles nicht mir passiert, ich konnte das alles gar nicht mit mir in Verbindung bringen.“ Nie hätte sich die 58-Jährige bis zu diesem Zeitpunkt zur Risikogruppe für eine Herzerkrankung gezählt. „Einen Herzinfarkt bekommt doch nur, wer dick ist, raucht und wahnsinnig viel Stress hat. So hab ich das immer angenommen.“


Frauenherzen schlagen anders

Dr. Markus Borries, Chefarzt der kardiologischen Abteilung der Dr. Becker Klinik Möhnesee ist diese Reaktion bekannt: „Frauen rechnen oft nicht mit einem Herzinfarkt. Wenn sie Schmerzen im Brustkorb spüren, denken sie eher an hormonelle Beschwerden, bei Übelkeit gehen sie von einer Magenverstimmung aus. Dabei versterben bei den unter 65-jährigen Frauen mehr an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung als an Brustkrebs.“ Dieser Irrglaube setze sich leider allzu oft in den Praxen und Notaufnahmen fort. In Deutschland sind 2,5 Mio. Frauen und 3,5 Mio. Männer von der sogenannten ischämischen Herzkrankheit – auch Ischämie des Herzens oder koronare Herzkrankheit (KHK) genannt – betroffen. „Frauen und auch viele Medizinerinnen und Mediziner deuten die Symptome oft falsch. Frauen berichten bei einem Infarkt häufiger über atypische Brustschmerzen oder Angina-ähnliche Symptome wie Erbrechen oder Übelkeit. Dass solche Symptome bei ihnen auf ein Herzereignis zurückgehen können, muss noch viel bekannter werden“, fordert der Chefarzt. Er weiß: Frauenherzen schlagen tatsächlich anders.


Sind keine Menschen in Sichtweite, kommt die Panik

Als Karin K. nach fünf Tagen die Klinik wieder verlässt, fühlt sie sich großartig: „Ich hätte Bäume ausreißen können, so gut ging‘s mir.“ Die Angestellte des öffentlichen Dienstes freut sich auf ihre Anschlussheilbehandlung, die bereits im Krankenhaus für sie beantragt wurde. An den Infarkt denkt sie nicht mehr.


Zwei Wochen nach ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus und eine Woche vor Antritt ihrer kardiologischen Reha erlebt Karin K. ihre erste Panikattacke. „Ich wusste gar nicht, was los ist. Ich hatte riesige Angst, Eissymptome in den Adern, ich habe am ganzen Körper gezittert und mir war schwindelig“, erzählt die 58-Jährige. Wieder reißt sie sich zusammen und fährt ins Büro. Dort sehen die Kollegen schnell, dass etwas mit ihr nicht in Ordnung ist und bringen sie nach Hause. Nach zirka zwei Stunden ist die Attacke vorüber. Doch sie wiederholt sich. Die nächste kommt während ihrer Anschlussheilbehandlung in der kardiologischen Rehaklinik. Die Ärzte untersuchen sie, finden aber keinerlei körperliche Ursachen, das Phänomen bleibt ungeklärt. Karin K. hat jetzt Angst vor der Angst. Und die Panikattacken kommen wieder. „Es gab keinen Rhythmus. Mal kamen die Anfälle alle zwei Wochen, dann wieder zwei Monate nicht.“ Ihr fällt auf, dass vor allem dann Panik in ihr aufsteigt, wenn sie Ortschaften verlässt und keine Menschen mehr in Sichtweite sind. Sie wird stressanfällig und dünnhäutig, Vieles nimmt sie sehr mit. „Ich habe mich sehr verändert in der Zeit. Ich habe auf Ereignisse anders reagiert als ich das von mir gewohnt war. Oft habe ich mich nur noch überfordert gefühlt.“


Die Suche nach Lösungen

Karin K. wird klar, dass es so nicht weitergehen kann und zieht vorübergehend zu ihrem Sohn. Aber auch das ändert nichts an ihrem Zustand. Dann endlich ein Lichtblick: „Meine Hausärztin hatte von einer Klinik erfahren, die psycho-kardiologische Zusammenhänge untersucht und behandelt. Sie riet mir dringend zu einem Aufenthalt dort.“ Karin K. zögert nicht lange und beantragt bei der Beihilfestelle eine Rehabilitation in der Dr. Becker Klinik Möhnesee. Die Rehaeinrichtung behandelt seit über 20 Jahren psychosomatische und kardiologische Patientinnen und Patienten. Bereits seit 2007 gibt es hier ein Zentrum für psycho-kardiologische Behandlungen, also Behandlungen, die die Wechselwirkung zwischen Psyche und Herz in den Blick nehmen. 2022 wurde sie als erste psycho-kardiologische Fachabteilung in NRW zugelassen.


Kein Spielball der Erkrankung: das psycho-kardiologische Rehabilitationsprogramm

Karin K. wird in der Dr. Becker Klinik Möhnesee einer umfassenden kardiologischen und psychosomatischen Diagnostik unterzogen. Im Aufnahmegespräch bestätigt sich eine koronare Herzerkrankung mit der Folge eines Herzinfarkts. Karin K. weist erhöhte Blutfettwerte auf. Das wiederum ist ein Risikofaktor für einen erneuten Herzinfarkt. In einem psycho-kardiologischen Erstgespräch und anhand eines ausführlichen Screening-Fragebogens auf Angst- und Depressionssymptome wird bei Karin K. außerdem eine Panikstörung festgestellt. „Bei unseren Untersuchungen ist es uns wichtig, den Zusammenhang zwischen körperlichen und psychischen Symptomen zu erfassen. Darauf bauen wir dann einen Therapieplan auf, der diese Wechselwirkungen berücksichtigt“, erläutert Dr. Borries. Der Therapieplan von Karin K. zielt vor allem darauf ab, ihre Ängste zu mindern, den Alltag wieder zu erleichtern und durch die Einübung eines „herzgesunden“ Lebensstils das Risiko eines erneuten Herzinfarkts zu reduzieren. „Oft verringern sich die Ängste der Patientinnen und Patienten, wenn sie merken, dass sie kein Spielball der Erkrankung sind, sondern aktiv dagegenwirken können. Bei uns bekommen sie deshalb zum einen gezielte psychotherapeutische Angebote. Zum anderen zeigen wir ihnen durch Sport- und Gesundheitsangebote einen herzgesunden Lebensstil, den sie dauerhaft umsetzen können“, erklärt der Chefarzt.


Der Austausch mit anderen Betroffenen gibt Halt

Karin K. nimmt während ihrer dreiwöchigen Rehabilitation zehnmal pro Woche an verschiedenen Sportangeboten wie Gerätetraining, Aquafitness, Wasser-Shiatsu, Wandern und Ergometertraining teil, um Kondition und Muskeln aufzubauen. Für Borries ist Bewegung ein elementarer Baustein einer erfolgreichen Reha: „Oftmals haben Herzpatientinnen und -patienten Sorge, ihr Herz durch körperliche Anstrengung zu sehr zu belasten und schonen sich. Wir bieten ihnen einen geschützten Rahmen, um sich körperlichen Herausforderungen zu stellen.“ Das sei eine wichtige Erfahrung.


Auch Ernährungsberatungen, Entspannungstrainings und Gesundheitsvorträge stehen auf dem Therapieplan von Karin K. „Mein Tag in der Klinik Möhnesee war vollgepackt. Und ich muss sagen: Es hat mir Spaß gemacht! Die Vielfalt der Angebote hat mir dabei geholfen, am Ball zu bleiben“, erzählt sie. Vor allem von den Treffen mit der Angstgruppe für Herzpatienten profitiert die 58-Jährige. „Hier hatte ich die Möglichkeit, mich mit anderen Betroffenen auszutauschen. Diese Erfahrung hat mir viel Halt gegeben und mir noch einmal vor Augen geführt, dass ich mit meinem Problem nicht allein dastehe“, erzählt sie. Am Ende der drei Wochen verfügt Karin K. über eine Vielzahl an Strategien, um ihren Alltag wieder selbstbewusst zu gestalten.


Neue Lebensqualität

Verändert hat sich für Karin K. seit ihrer Reha Vieles: Einmal wöchentlich nimmt sie an einer Rehasport-Gruppe an ihrem Wohnort teil, zur Arbeit fährt sie jeden Tag mit dem Fahrrad und alle 14 Tage besucht sie eine Atemgruppe. Unter Panikattacken leidet Karin K. nicht mehr. „Ich lebe jetzt herzgesund, körperlich und seelisch“, sagt sie. Für Mitte April hat sie einen Flug nach Porto gebucht. Die 58-Jährige wird den Jakobsweg wandern – allein.